Es hätte so schön werden können. Doch es wurde fantastisch. Wir freuten uns auf einen entspannten Nachmittag bei Kaffee und Apfelkuchen. Es war alles dafür angerichtet. Nebelfetzen jagten um unsere Lodge in Tadapani im Süden des Annapurna Himal. Waagrecht flog ein Gemisch aus Regen und Schnee an den großen Fensterfronten vorbei. Die Lodgebetreiber heizten den Ofen an. Doch innerhalb weniger Minuten bricht die Sonne durch abziehende Gewitterwolken. Ungläubig blicken wir hinaus. Wie vom Blitz getroffen, springen wir auf und holen die Kameras aus unseren Zimmern. Mehrere Regenbögen tanzen bereits über üppige Rhododendronwälder. Weit über uns, geben dünne Nebelschleier den Blick auf himmelhohe Firnflanken der Annapurna South frei. Auch über dem Modi Khola lichten sich die Wolken, nur noch aus der Ferne rollt der Donner herüber. Ein Dramatiker muss heute Nachmittag Regie über das Wettergeschehen führen. Nach und nach betritt der Machhapuchare die Bühne, die er bis zu den letzten Sonnenstrahlen am frühen Abend nicht mehr verlassen wird.
Am nächsten Nachmittag droht uns der Regisseur mit einer Hauptrolle in der nächsten Gewitteraufführung. Doch wir haben Glück. Früh genug überschreiten wir den Deurali Pass (3163 m) auf unserem Weg nach Ghorepani. Die blauschwarzen Wolken bleiben im Norden hängen und wir können schon einmal unser morgiges Ziel, den Poon Hill, betrachten. Um fünf Uhr morgens stehen wir vor unserer Lodge unter einem funkelnden Sternenhimmel. Wunderschön, aber echt früh. Lange vor Sonnenaufgang erreichen wir den 3200 Meter hohen Gipfel. Die Aussicht zählt zu den schönsten überhaupt. Das wissen natürlich auch andere Touristen. Aber die geräumige Kuppe bietet allen genug Platz, um den Dhaulagiri, die Annapurna und Nilgiris gebührend zu würdigen. Fast rauben die, in voller Blüte stehenden, Rhododendren den Eisgipfeln die Schau. Nein, eher ergänzen sie sich. Der ein oder andere Fotograf soll hier schon schöne Motive gefunden haben.
Nach einem kurzen Stopp in Kathmandu fliegen wir weiter nach Lukla. Eine detaillierte Beschreibung des Fluges und der glücklichen Rückkehr zur Mutter Erde würde den Rahmen sprengen. Über Namche Bazar erreichen wir nach drei Tagen Fußmarsch das Kloster Tengboche. Nach einem klaren Morgen und unzähligen Bildern reißen wir uns aus Namche Bazar los. Jetzt am Nachmittag lasten schwere Nebel im Solu Khumbu. So nutzen wir den Nachmittag zur Bildbearbeitung und Bildbesprechung. Nach dem Abendessen gehe ich nochmals vor die Lodge und traue meinen Augen nicht. Taghell geht der Vollmond auf, im Licht des Mondes glänzen die Schneeflanken der Ama Dablam und die gewaltige Lhotse-Nuptse-Mauer, nur noch überragt vom Mount Everest. Sehr schöne nächtliche Bergbilder bei Vollmond gelingen übrigens gegen 4 Uhr. Da wache ich zufällig auf, öffne das Fenster, stelle das Stativ auf der Fensterbank auf und ein Bild nach dem nächsten füllt die Speicherkarte. Meine Teilnehmer wecke ich zu dieser Stunde nicht, denn bislang herrschte eine angenehme Harmonie in unserer Gruppe. An unserem freien Tag in Tengboche nutzen wir das schöne Wetter, um oberhalb des Klosters einen 4300 m hohen Gipfel zu besteigen. Gebetsfahnen wehen am höchsten Punkt, direkt gegenüber glänzen die Eiswände des Thamserku in der Sonne. Stunden später dampfen vor uns heißer Kaffee und warmer Apfelkuchen im gemütlichen Speisesaal. Draußen ziehen dichte Nachmittagsnebel um die Lodge. Einfach schön. Unzählige Eindrücke und Erlebnisse nehmen wir mit zurück, denn am nächsten Morgen beginnt unser Rückweg nach Lukla.
Steffen Hoppe