Gesichter Nepals

Das Kastensystem in Nepal

Mit dem Kastensystem wird die Position eines jeden Einzelnen in der Gesellschaft festgelegt.

Einführung des Kastenwesens mit der Einwanderung von Hindu-Gruppen aus Indien

Ab dem zehnten Jahrhundert wanderten viele Hindus (darunter viele Brahmanen) aus Indien nach Nepal aus, um vor der arabischen Invasion und der damit einhergehenden Islamisierung, insbesondere des Nordostens Indiens, zu fliehen. Die Flucht diente der Aufrechterhaltung ihrer Kultur und der rituellen Reinheit. Das Miteinander der eingewanderten Hindu-Gruppen aus Indien und der ursprünglich nicht-hinduistischen Stämme in Nepal hat zu einem eigenen Kastensystem geführt.

Das nepalesische Kastenwesen wandelte sich im Laufe der Zeit und ist auch heute noch Veränderungen unterworfen.

Welche Kasten gibt es in Nepal?

In Nepal gibt es vier Hauptkasten:

  • Bahun (in Indien die Brahmanen)
  • Chetris (in Indien die Kshatriyas)
  • Vaishyas (die Händler)
  • Sudras (die Unberührbaren)

Zudem gibt es eine klare Trennung der reinen und der unreinen Kasten. Die Trennung erfolgt durch eine sogenannte Wasserlinie, die besagt, dass reine Kasten kein Wasser und auch keine Nahrung von unreinen Kasten annehmen dürfen.

Die Bahun – Als Priesterkaste die höchste Kastenstufe im Hinduismus

Die Bahun werden in Indien Brahmanen genannt, bilden als Priesterkaste die höchste Kastenstufe im Hinduismus und sind in ganz Nepal anzutreffen. Sie wohnen in stattlichen Höfen mit Vordächern, verstreut in unmittelbarer Nähe zu ihren Reisterrassen.

Nicht jeder Bahun ist ein Priester, aber jeder Priester muss von den Bahun stammen. Auffällig sind der hagere Wuchs und die typisch indo-arischen Gesichtszüge der Bahun. Um ihre Brust tragen die Männer die heilige Schnur, meist aus Baumwolle.

Die meisten Bahun bauen im subtropischen Tiefland auf ca. 1.500 m Meereshöhe Reis an. Andere betätigen sich in der Politik oder als Beamter im Staatsdienst. Sie sind darin geübt, die kastenspezifischen Interessen zu wahren und meist gebildeter als der Durchschnitt ihrer Landsleute.

Die Bahun sind überwiegend orthodoxe Hindus, die kein Fleisch essen, auf Alkohol verzichten und diverse strenge Kastenregeln befolgen. Die Bahun, die es in die Stadt gezogen hat, befolgen diese Regeln aufgrund materialistischer Denkmuster nicht sonderlich streng.

Chhetri – Zweithöchste Kastengruppe

Als zweitgrößte Kastengruppe werden die Chhetri in Indien Kshatriya genannt und gehören ursprünglich der Kriegerkaste an.

Wie die Bahun, sind die Chhetri überall in Nepal anzutreffen, halten sich aber überwiegend in den subtropischen gebieten bis ca. 1.500 m auf. Eine Ausnahme bilden Siedlungen im Westen Nepals, die sich auf Höhen von bis zu 3.000 m befinden. Hier vermischten sich die Chhetri zum Teil mit den hier damals eingewanderten indo-arischen Khas, die auch den Status der Kriegerkaste zugeteilt bekamen.

Überwiegend sind die Chhetri als Reisbauern tätig, aber auch im Staatsdienst als Verwalter, Lehrer, Polizist oder Soldat. Im Vergleich zu anderen Ethnien, tragen die Chhetri und die Bahun Familiennamen unabhängig von der Volkszugehörigkeit.

Einige der Chhetri und Bahun haben in den letzten Jahrzehnten die Hügel verlassen und sich für ein Leben im Tiefland des Terai entschieden.

Die Handwerkskasten in Nepal

Aufgrund kastenspezifischer Verbote, sind die Bahun und die Chhetri von den niederen Handwerkskasten abhängig, die ursprünglich aus Indien stammen:

  • Goldschmiede (Sunar)
  • Schneider und Musikanten (Damai)
  • Schuhmacher und Gerber (Sarki)
  • Eisenschmiede (Kami)
  • Weitere kleine Handwerkskasten

Die meisten aus der Handwerkskaste haben eine relative dunkle Hautfarbe und sind dazu verpflichtet aufgrund hinduistischer Kastenregeln nur in dem Beruf tätig zu sein, der von ihrer Kaste abstammt. Zudem sind die meisten nebenbei noch Subsistenzbauern.

Nach der religiösen Hierarchie bedingen sich die Handwerkskasten auf der untersten Ebene. Und auch wenn die Kastenstufen bereits vor einigen Jahren offiziell abgeschafft wurden, ist ein Aufstieg aus der Handwerkskaste in eine höhere Kastenstufe nicht möglich. Das liegt maßgeblich an über 4.000 Jahren Tradition, die nicht einfach so abgeschafft werden können.

Obwohl das Kastensystem für uns als Außenstehende unglaublich viel Benachteiligung und Ausgrenzung birgt, gibt es einen Vorteil eines solchen Systems: Die Handwerkskasten können nahezu konkurrenzlos ihre Berufe ausüben, da kein anderer Stamm ihnen diesen streitig machen könnte.

Erkennt man die Kastenzugehörigkeit auf den ersten Blick?

In der Regel erkennt man auf den ersten Blick nicht, welcher Kaste ein Nepalese angehört. Nur wer aufmerksam ist und Unterschiede im Verhalten erkennt, die Hinweise auf die rituellen Reinheitsregeln und Tabus einer Kaste geben, erkennt die Kastenzugehörigkeit.

Die Kastenzugehörigkeit wird vererbt und nur wer viel Geld hat, hat die Möglichkeit in eine höhere Kaste einzuheiraten.

Kastenzugehörigkeit vs. Wohlstand der Bevölkerung

Die Kastenzugehörigkeit ist oft auch an den Wohlstand der Bevölkerung gebunden. So werden die ärmeren Nepalesen eher den Unberührbaren und reichere Nepalesen den oberen Kasten zugeordnet. Europäische Ausländer werden daher in der Regel zur Oberschicht gezählt, obwohl sie als Nicht-Hindus im Prinzip den Unberührbaren angehören müssten. Nur bei rituellen Reinheitsregeln werden sie dann tatsächlich als Unberührbare behandelt.

Die Kaste der Unberührbaren als Stütze der Gesellschaft

Die Kami, Damai und Sarki gehören zur Kaste der Unberührbaren, machen mehr als 7 % der Gesamtbevölkerung in Nepal aus und sind damit ganz klar eine der Stützen in der nepalesischen Gesellschaft.