Abschied von der bezaubernden Langtang-Bergwelt

DIAMIR-Expertin Sophie Streck berichtet- September bis Dezember 2012

Namaste und herzlich willkommen,

zur diesjährigen Herbstsaison werde ich unsere einheimischen Kollegen im „Kathmandu View Hotel“ unterstützen. Ich bin auf die Zeit mit meinen nepalesischen Freunden und die vielseitige Arbeit für DIAMIR Erlebnisreisen GmbH gespannt.

Ich freue mich, mit Ihnen meine Faszination für das Land zu teilen und als Ihre direkte Ansprechpartnerin vor Ort für jegliche Fragen zur Verfügung zu stehen.

Während meines Aufenthalts berichte ich hier über meine Erlebnisse, Eindrücke und aktuelle Informationen aus Nepal.

Pheri Bhetaula – bis bald!


Raus aus dem Regen Deutschlands, ab mit dem Flieger über die Wüste der Vereinigten Arabischen Emirate und rein in die bunte Farbenbracht des sonnigen und grünen Nepals!

Donnerstag, den 13. September 2012 war endlich Abreisetag! Mit der Etihad Airways ging es von Frankfurt über Abu Dhabi nach Kathmandu. Als meine zwei nepalesischen Sitznachbarn und ich nach dem Zwischenstopp auf die sandigen Flächen blickten, waren wir uns schnell einig, dass diese einförmige Wüstenlandschaft wenig mit dem bergigen Grün Nepals gemeinsam hat.

Angekommen erwartete mich im Gewühl des Flughafens bereits Mingmar, unser nepalesischer Partner und langjähriger Freund des DIAMIR Teams.

Er berichtete von einer wichtigen Qualitätsverbesserung für Ihre Sicherheit:

Zu Beginn der neuen Trekkingsaison wurde ein viertägiger Erste-Hilfe-Kurs durchgeführt, um für Notfälle während der Touren noch besser gerüstet zu sein. An dem umfangreichen Kurs nahmen 28 unserer deutsch- und englischsprachigen nepalesischen Trekking-Guides teil.

Ich werde mich bald mit weiteren Neuigkeiten zurückmelden und wünsche Ihnen bis dahin einen angenehmen Herbstanfang!

11. Oktober 2012

Liebe Reiselustigen,

nun ist bereits ein Monat seit meiner Anreise vergangen und der Wunsch des Niederschreibens drängt sich auf. Doch wo beginnen? Ein überwältigendes Gefühl, wenn ich an die zahlreichen Ereignisse der letzten Wochen denke…

Die Erinnerung an meinen Abflug scheint so klar, als wäre es gestern gewesen. Das prägende Bild meines Zwischenaufenthaltes in Abu Dhabi begleitet mich seit her – zu krass war die Konfrontation mit zwei Welten, die unterschiedlicher gar nicht sein konnten. Von der geordneten, modernen Wüstenstadt Abu Dhabi ging es innerhalb von ein paar Flugstunden mitten in das wilde Treiben und Chaos der nepalesischen Hauptstadt. Umso besser kann ich seit dem den Teil unserer Gäste verstehen, die von ihren Kulturschocks berichten, wenn sie aus den geordneten Verhältnissen Bhutans oder China anreisen.

Doch genau diese fremde Welt habe ich schätzen und lieben gelernt. Kathmandu – ein Leben mitten im Zentrum des Landes und der Feste, im Wirrwarr der Volksgruppen, ein Überleben im chaotischen Verkehr und ohne funktionierende Regierung, hin- und hergerissen zwischen Moderne und Vergangenheit, eingepresst zwischen den Großmächten China und Indien, inmitten von wirtschaftlicher Armut und kulturellem Reichtum… Kein Tag gleicht dem anderen, kein Einheimischer dem anderen, keine Straße der anderen… Kathmandu als Stadt zu erfassen? Unmöglich! Zu vielfältig sind die Bilder, die auf uns Besucher grenzenlos einprasseln. Selbst die zahlreichen Nepalwiederkehrer erfahren immer etwas neues, wobei die einen von der Stadtentwicklung geschockt, die anderen sich wiederum vom bunten Treiben mitreißen lassen. Mein Tipp… einfach selbst erleben!

Doch was ist so schön? Für mich ganz klar die Bewohner dieser Stadt, die eine allumfassende Ruhe ausstrahlen und den Alltag im lauten und stressigen Umfeld mit Gelassenheit und Freude meistern. Genau diese Menschen, die für mich aufgrund ihrer unterschiedlichen Herkunft, Aussehen, Brauchtümern, Religionen und Lebensphilosophien ein unergründliches Rätsel darstellen.

Zusätzlich weckt der Kontakt zu unseren Gästen, dem eigenen Kulturkreis, mein Interesse. Besonders direkt nach Ankunft, wenn sie zwar neugierig, aber auch müde die Fahrt von Flughafen zum Hotel auf sich nehmen. Die einen sind gut gelaunt, lachen, staunen, andere wiederum sind etwas ängstlich, geschockt, fragen viel oder sind einfach nur überwältigt. Erst heute saß eine Manaslu Trekkerin im schwankenden Auto, die bei der ihr unbekannten Situation kopfschüttelnd, herzhafte lachte und laut rief „genau das ist für mich URLAUB!“

Am Ende der abenteuerlichen Fahrt biegt man in eine kleine Straße ab und der Blick hebt sich zum Kathmandu View Hotel, welches an einem kleinen Hang gelegen ist. Start- und Endpunkt für die meisten Nepalreisenden. Arbeits- und Wohnort für die Geschwister Pema (Hotelmanagerin), Thinley und mich. Der Familienbetrieb inmitten des Straßengewirrs erscheint vielen wie eine kleine Oase und Aussichtsturm zu gleich. Oben auf der Dachterrasse hat man einen wundervollen Blick über Kathmandu und die angrenzende Berge – der perfekte Ort, um abzuschalten oder das Erlebte zu verarbeiten.
Gerade saß ich noch mit einem unserer Gäste zusammen, der von seinem Kurztrip berichtete:

„Zum ersten Mal in Nepal. Eine Reise voller Überraschungen. Sehr freundlicher, netter Empfang, trotz der kleinen Sprachbarire. Es ist auch interessant, dass das Hotelteam vor Ort Deutsch spricht oder es zu mindestens versucht. Ab dem zweiten Tag konnten wir fast Nepali. Sehr gute organisierte Tour, für Anfänger bestens geeinigt. Für jeden ist etwas dabei. Das Wetter war super, das Essen toll.“

Zum Schluss und passend zum September noch unbedingt erwähnenswert…
die Farbe ROT!

Rot ist die Lieblingsfarbe der meisten Nepalesen, besonders der Frauen. Der Hochzeitssari ist rot, die Alltagsbekleidung bevorzugt rot, Tempelschmuck und genutzte Farbe oft rot. Im Hinduismus bedeutet diese zugleich Reinheit und Freude. Zum Beispiel streut der Ehemann seiner Frau nach der Trauung als Zeichen der Zugehörigkeit rotes Puder auf die Haare. Ebenfalls beliebt ist, die Statue des elefantenköpfigen Gottes Ganesha, Gott der Klugheit, mit roter Sandelholzpaste einzureiben und ihm rote Blumen zu opfern.

Und Mitte September jedes Jahres dann scheint diese Vorliebe ihren Höhepunkt zu erreichen. Am traditionellen Fest „Teej“ lebt ganz Kathmandu in roter Farbe. Während der Festtage tanzen, singen, beten und fasten die Frauen für das Wohlergehen ihrer Ehemänner und Kinder. Die vier Festtage gelten als die glücklichsten Tage im Jahr und die meisten Frauen tragen ihre Hochzeitssaris für den besonderen Anlass.
Und auch unsere HIMALAYA DIAMIR Mannschaft zeigt sich gern im beliebten Rot. Beim diesjährigen Guidetreffen wurden die neuen Shirts stolz zum Gruppenfoto präsentiert.

Rote Grüße aus Nepal,
Sophie

27. Oktober 2012

„Vom Goldenen Dreieck ins Kathmandutal“

Einmal durchatmen und frische Luft schnappen…
Ausflug in die Berge mit der Natur- und Kulturgruppe

Mitte Oktober empfing ich meine erste „Indien – Nepalgruppe.“ Den ersten Teil der 18- tägigen Kultur und Naturrundreise hatten sie zuvor im Nachbarland hinter sich gebracht.
Schon bei der Abholung am Flughafen wurde ich lustig und lachend begrüßt und schnell fiel auf, dass die Gäste bereits Asienluft geschnuppert hatten. Unser Bus bewegte sich schaukelnd durch den Großstadt – Dschungel, der auch von den Indienerfahrenen staunend betrachtet wurde. Im Vergleich erschien wohl einiges fremd, anderes wiederum bekannt. Das Verkehrschaos, die müllspeisenden heiligen Kühe, die Menschenmassen und das lebhafte Straßentreiben waren sicherlich ein gewohnter Anblick. Doch auch die Unterschiede fielen auf, dem einen mehr im Detail, dem anderen eher im Großen und Ganzen. Und schon holte auch mich die Erinnerung ein. Ich fühlte mich plötzlich ein Jahr zurück versetzt als ich selbst das geliebte Nepal verließ und das mir unbekannte Indien betrat- noch heute geprägt von einem flüchtigen Spruch eines Fremden, der mir einst sagte: „Eine Reise von Indien nach Nepal, ist wie eine Reise ins Paradies.“

Drei Monate lang erkundete ich Indien, oft zurück denkend an die Worte des Fremden, vergleichend mit den eigenen Landeserfahrungen. Teils zustimmend, teils ablehnend und stets am grübeln „Wenn Nepal wirklich das Paradies ist, was ist dann eigentlich Indien?“

Wumps… ein Schlagloch… und plötzlich war ich wieder mitten drin zwischen Erinnerung, Wirklichkeit und Gespräch. Der Kleingruppe erging es anscheinend ähnlich oder zu mindestens erschien auch sie nachdenklich. Bekanntes wird wieder erkannt, Unbekanntes in Vergleich gesetzt, neue Fragen entwickelt, bereits erarbeitete Theorien bestätigt, andere wiederum verworfen. Ein gespanntes und gleichzeitig wohliges Gefühl überkam mich – genau das bedeutet Kulturkontakt für mich! Lernen, verstehen, rätseln, sich selbst in Frage stellen und sich entwickeln. Doch auch die ruhigen Momente zählen, bei der man sich in der Sicherheit des Bekannten auszuruhen vermag.

Aber was beinhaltet eigentlich so eine Reise „Vom Goldenen Dreieck Indiens ins Kathmandutal Nepals?“ Zwei Reiche so voll von Gegensätzen, zwischen Tief- und Hochland, naturellem Reichtum und wirtschaftlicher Armut, von prunkvollen Palästen und beeindruckenden Stupas, geprägt durch unterschiedliche Lebensweisen, Geschichte und Kultur?

Wohl genau das – ein Einblick in die Gegensätze, ein Mitreißen lassen von den paradiesischen Reichtümern der Länder ohne die Schattenseiten der Realität zu verschleiern, ein Einblick in für uns komplett andersartige Welten!

Die Tour verbindet die Höhepunkte Nepals und Nordindiens (Rajasthan). Gestartet wird in der indischen Metropole Delhi, das weltberühmte Taj Mahal besucht, eindrucksvolle Tempel und Paläste besichtigt, die Geisterstadt Fathepur Sikri durchquert und die naturelle Vielfalt Indiens erkundet. Im zweiten Teil führt sie zu den religiösen Stätten des Kathmandutals, hinauf in die Erholungszentren der Berge, durch die Gassen der kleinen Newaridörfer, nach Pokhara, der Lieblingsstadt der Nepalesen. Gereist wird per Bus, zu Fuß und zum Schluss das Ganze von oben betrachtet – auf einem Panoramaflug zurück in die Hauptstadt Nepals. 18 Tage mögen für den einen zu kurz erscheinen, für den anderen genau richtig und für den dritten wiederum zu lang. Auch hier wieder mein Tipp… Selbst erfahren!

Am Abend wir diskutiert – noch mal nach Nepal? Oder lieber nach Indien?
Für einige ist der Besuch nicht der Erste und wird auch nicht der Letzte sein, andere träumen bereits von aktiven Trekkingtouren, auch an das Teilen der Faszination mit Familienmitgliedern oder Freunden wird gedacht und wiederum anderen erscheint ein Besuch völlig ausreichend – zu groß ist die Welt und zu viele interessante Reiseziele stehen noch auf dem Wunschplan.

Im Haatiban Resort, einer kleinen Hotelanlage weit oben über Kathmandu gelegen, ist es dunkel geworden. So verschieden die Zukunftspläne und Eindrücke auf dieser Reise auch waren, in einem schienen sich alle an diesem Abend einig – sich im Hier und Jetzt wohlzufühlen.

Mit einigen streifte ich noch durch den Fichtenwald, gemeinsam bestaunten wir den Sternenhimmel und die Schatten der Gebetsfahnen. An einem Aussichtspunkt aufs Lichtermeer machten wir halt, rätselnd und suchend was genau vor uns liegt. Auch aus dieser Nacht- Vogelperspektive und über 1000 Höhenmeter entfernt zur Stadt, lässt diese Referenz und Orientierungspunkte nicht zu – der chaotische, aber doch bekannte Lichteranblick erfüllt mich mit Ruhe…

Von der Stille eingeschlossen und mit voller Vorfreude auf den bevorstehenden Sonnenaufgang mit Stadt- und Bergpanorama schlafe ich ein.

24. November 2012

Gauri Shankar und Kalinchok … ein Pilgerpfad abseits der Touristenströme

Schon des Öfteren hatte ich über die Gauri Shankar Region als Wanderziel nachgedacht. Die unbekannte Region, eingekesselt vom berühmten Everest und Langtang Massiv, findet keinerlei Beachtung auf der touristischen Landkarte. Für mich genau die richtige Ausgangslage, um einen Erkundungstrek zu starten.

Ende Oktober ergab sich endlich die Möglichkeit. Noch vor Sonnenaufgang verabschiedete ich im Kathmandu View Hotel eine DIAMIR Reisegruppe nach Lukla. Johannes, ein Freund der Hotelfamilie, wartete schon in der Lobby und gemeinsam ging es mit dem Expressbus in Richtung Osten nach Charikot. Unsere Vorfreude stieg mit jedem Kilometer, da das bewohnte Kathmandutal immer lichter und die freie Himalaya-Sicht immer deutlicher wurde. Nach der fünfstündigen Busfahrt, folgte ein steiler sechsstündiger Wanderanstieg zum Höhen- und Pilgerort Kuri. Endlich angekommen, aber noch hochmotiviert, schleppten wir uns in der Abenddämmerung noch die weiteren 400 Höhenmeter zum Kalinchok (3810m) – dem heiligen Berggipfel- hinauf.

Das Mittelgebirge glühte rot und schon auf dem Weg zum Gipfel wurden wir von zahlreichen Shiva Dreizacken begrüßt. Und endlich… die letzte Anhöhe war geschafft!

Zuvor noch vom heiligen Berg bedeckt, eröffnete sich uns plötzlich und völlig unerwartet der freie Blick auf das riesige Hiamalaya-Massiv. Im Angesicht der Bergriesen ging es über die letzten Steintreppen hoch zum Shiva und Kalischrein. Die Tempelanlage befand sich auf einer kleinen Plattform umringt von einem unbeschreiblichen 360 Grad rot beleuchteten Bergpanorama. Die gesamte Fläche war übersät mit Shiva-Dreizacken, Stahlglocken und Götterfiguren. Als wir uns dem Kalischrein näherten, stieg uns ein ungewöhnlicher Geruch in die Nase. Nach genauerem betrachten war uns schnell klar, woher dieser kam. Das frische Blut der letzten Opfergaben war noch zu sehen…

In einer kleinen Berghütte am Fuße der Plattform erfuhren wir, dass dieser heilige Ort gleichermaßen von Schamanen, hinduistischen Pilgern und buddhistischen Besuchern aufgesucht wird. Die Nepali Ama hatte bereits Tee für uns gekocht, den wir mit Blick auf die vom Vollmond erleuchteten Berge freudig entgegen nahmen. Als ich in ihre Küche blickte, sah ich den Sohn, der seine kalten Hände in einem großen Topf erwärmte. Als ich ihn genauer betrachtete, präsentierte er mir freudig die wärmende Masse. Es waren die Reste einer Ziege, die noch heute zum Festschmaus verarbeitet werden sollten. Wohl die letzten Überreste vom fröhlichen Dasain Fest – dem größten hinduistischen Familienfest des Landes, an dem besonders viele Ziegen geopfert und später gemeinschaftlich verspeist werden.

Zurück im Pilgerort Kuri saßen wir noch lange mit der Lodgefamilie am Küchenfeuer und lauschten den zahlreichen Erzählungen über den verwunschenen Ort.

Am nächsten Morgen klingelte bereits um 4 Uhr der Wecker. Auf ein Neues erwartete uns der 400 m Anstieg zum Gipfel. Oben angekommen waren wir diesmal nicht so einsam wie am Vorabend. Immer mehr einheimische Pilger erklommen den Hügel, drehten ihre Gebetsrunden um den Schrein, murmelten, sangen, zündeten Kerzen und Räucherstäbchen an, läuteten die Glocken und führten ihre Gebetsrituale durch. Neben dem bunten Treiben kündigte sich die aufgehende Sonne an. Die kleine Plattform wurde zum Zentrum von Natur- und Kulturspektakel zugleich.

Und endlich kam die Sonne! Sie beleuchtete nacheinander die Bergriesen, und die klare Sicht erstreckte sich im Westen vom Dhaulagiri und Annapurna Range bis hin zum Manaslu, Ganesh und Langtang Himal. Direkt im Norden ragten die steinigen Spitzen von Ama Bamare und Lapchi Kang hervor. In östlicher Richtung wurden Yalung- Ramdung, Lamjura La und Hanumante immer deutlicher. Und auch zum Süden konnte man weit über das Mittelgebirge bis zu den Sailung Bergen sehen. Am wohl beeindruckendsten hob sich jedoch der heilige Berg Gauri Shanker mit seiner einzigartigen Form hervor. Kein Wunder, dass die Einheimischen lange Zeit glaubten, dass dieser der höchste Berg Nepals sei. Zusammenfassendes Urteil – ein Blick, der jedem Panorama-Flug das Wasser reichen könnte!

Begleitet von wärmenden Sonnenstrahlen starteten wir unsere zweite Tagesetappe. In Richtung Norden schlängelte sich ein Pilgerpfad dem Bergkamm entlang bis hin zum Thingsang La Pass. Wir konnten uns kaum satt sehen am vor uns gelegenen Himalaya und den tiefen Schluchten, die rechts und links von unserem Weg ins grüne Tal fielen. Über den Pass bis hin zur ersten bewohnten Siedlung nach Dolangsa brauchten wir den gesamten Tag. Eine landschaftlich einmalige Strecke und wohl die einsamste, die ich in Asien je gegangen bin.

In Dolangsa bezogen wir die einzige Lodge der Gegend. Ein amerikanisches Ehepaar, die ersten und gleichzeitig letzten Ausländer, die wir auf unseren Kurztrek trafen, saßen bereits auf der Lodgeterasse. Gemeinsam genossen wir den freien Blick aufs Dorfkloster hinunter bis ins Tal. Beim Sonnenuntergang erzählten die Beiden, dass sie zahlreiche Treks in Nepal hinter sich hatten und diesmal bewusst diese unberührte und einsame Region aufsuchten. Gemeinsam war man sich einig – ein Geheimtipp sondergleichen!

Am letzten Tag wanderten wir durch kleine Bergdörfer, entlang an Terrassenfeldern, vorbei an Wasserfällen, Getreidemühlen und Wasserbüffeln direkt nach Barhabise. An der Straße angekommen stand schon der Schnellbus zurück nach Kathmandu bereit, und innerhalb von 4 Stunden waren wir zurück in der Heimatstadt.

Dezember 2012

Auf Pfadsuche durchs nepalesische Mittelgebirge….. Indigenous People Trail

Vor gut einem Jahr hatte mir ein Nepali von einem neu vermarkteten Trail im Ramecchep Gebiet (Mittelgebirge, 130km östlich von Kathmandu) erzählt. Wir scherzten über den gewöhnungsbedürftigen Marketingnamen „Indigenous People Trail.“ Denn was soll schon „indigener Wanderweg“ in einem Land, das über 70 verschiedene Volksgruppen beherbergt, bedeuten!? Als sich einige freie Tage ergaben, entschied ich mich, auf Pfadsuche zu gehen.

Nach sieben Stunden Busfahrt, war ich vollkommen durchgeschüttelt und musste mich erst mal über Ölfässer, diverse Busladungen, Hühner und Nepalesen zurück in die Freiheit drücken. Draußen erwarteten mich ärmliche Holzbretterbuden und der Geruch von frischem Fleisch – direkt vor mir wurde gerade ein Büffel zerteilt.

Nach einer Portion Nudeln ging es aufwärts zum Sailung Peak (3146m). Die Aussicht auf die saftig grünen Hochlandwiesen und dichten Wälder entlang eines wunderschönen Himalaya Panoramas entschädigte für die dünne Luft und oben angekommen war der Ausblick mehr als atemberaubend! Richtung Norden strahlte der Himalaya – fast die gesamte Nepalrange von Annapurna, Manaslu, Ganesh, Langtang, Gauri Shanker bis hin zum Everest Gebiet war zu sehen. Richtung Süden erstreckte sich ein wildes Wolkenmeer durchdrungen von bizarren Bergformationen des Mittelgebirges. Auf der Höhenplattform selbst gab es mehrere buddhistische Steinschreine, Gebetsflaggen und Maniinschriften zu entdecken. Ein Bild für die Götter! Kein Wunder, dass die ansässigen Tamang glauben, dass dieser Ort von ihrem Erschaffer bewohnt sei. Ich konnte mich kaum satt sehen am einzigartigen Panorama und der zunehmenden Abendsonne, die die schneebedeckten Spitzen nach und nach rot färbte. Doch der immer stärker werdende Höhenwind drängte mich schlussendlich zum Abstieg ins Sherpa und Tamangdorf Khola Kharka.

Bereits am Dorfanfang kam mir ein kleines Mädchen entgegen gerannt. Sie lachte mich an und fragte süß und frech zugleich „Tapai ko mero gar ma sudzu? (Schläfst du in meinem Haus)“ Als ich die Frage mit einem kurzen „Hunzu. (Ok)“ beantwortete, ergriff sie quietschend meine Hand und führte mich lachend und hüpfend zu ihrer Großfamilie. Ich war die einzige Touristin im Ort und verbrachte den Rest des Abends mit ihnen am Feuer.

Am nächsten Morgen begleitete ich die drei Kinder zur Schule. Anfangs wunderte ich mich noch über deren langen Weg (2 Stunden) und stellte mir die tägliche Wiederholung als ziemlich langweilig vor. Doch ich ließ mich schnell eines Besseren belehren, als der Weg gleichermaßen zum Abenteuerspielplatz und sozialem Ereignis wurde. Wieder allein überquerte ich den Bhute Khola Fluss und stieg auf zum malerischen Surke Dorf mit seinem offenem Blick auf die Numburchuli Range. Die Lehmhäuser waren verziert mit Blumen und Bemalungen, über die Holzbalkone waren Maiskolben zum Trocknen gespannt, in den Vorgärten grasten Büffel, Ziegen und Hühner friedlich miteinander. Zu gerne hätte ich den Nachmittag auf einem der Newari Terrassenhöfe in der Sonne verbracht. Doch übernachten wollte ich im größten Tamang Dorf der Region. In der geschäftigen Bazar Straße bestellte ich zunächst einen Milch Tee und war sogleich wieder Gesprächsmittelpunkt. Geduldig beantwortet ich die zahlreichen Fragen, unter anderem wieso ich den „ek lai (alleine)“ unterwegs sei – ein Zustand der für die geselligen Nepalesen, für die jegliche Handlung allein eine unerträgliche Qual darstellt, einfach jeden Vorstellungsrahmen überschreitet.

Im Homestay wurde ich herzlich empfangen und man brachte mir heißen Tee in den sonnigen Vorgarten. Mit zunehmender Kälte zog ich in die warme Lehmküche um und der Gastvater schob mir bald einen Topf mit heißen Kohlen vor die Füße. Als ich an diesem Abend in den klaren Sternenhimmel blickte und mich in das lieblich eingerichtete Gästebettchen mummelte, konnte ich vor „zu viel“ Urlaubsglück kaum einschlafen.

Frisch gestärkt mit einem Sukkha Roti (Tamang Brot) und einem Zitronengrastee zog ich erneut in die Berge. Zum Abschied erhielt ich eine Katra (heiliger Schal), der traditionell von Tamangs und Sherpas zum Abschied überreicht wird. Bunte Felder, kleine Dörfer, Pinienwälder und Flüsse begleiteten meinen Weg, bis ich schlussendlich Khandadevi erreichte – ein auf 2002mt hoch gelegener Hindischrein. Eine große hinduistische Gemeinde nahm mich neugierig in Empfang und präsentierten mir stolz ihr großes Wasserbüffelopfer, und neben diesem noch zwei geköpfte Hähne und eine tote Ziege. Als sie mir auch noch frische Büffelmilch in die Hand drückten, suchte ich schnell das Weite. Oben am heiligen Schrein sah es allerdings nicht besser aus. Das frische Opferblut tropfte noch von den Steinen und ein Priester war bereits mit der nächsten Ziegenkehle beschäftigt. Erst am Dorfplatz kehrte die gewohnte Ruhe zurück. Es handelte sich um ein buddhistisches Tamang Dorf, die komischerweise mit dem Tempel in ihrem Hintergarten wenig am Hut hatten. Typisch Nepal… Hinduismus und Buddhismus erfährt in seiner Ausführung alles – einerseits Vermischung und Akzeptanz, andererseits Abgrenzung oder gar Ablehnung.

Am Nachmittag wanderte ich nach Dongme, einem Yolmo Dorf. Aufgrund von fehlenden Wegweisern begleitete ich mal einen Feuerholz tragende Bauern, mal ein Stier treibendes Mädchen, und später drei Hühner schleppende junge Männer. Ich genoss die Abwechslung und die Gespräche mit den Einheimischen. Nepalis sind stets angenehme Landsleute, herzlich, lachen viel, sind neugierig, aber werden dabei nie aufdringlich oder unangenehm. In Yolmo angekommen erwartete mich ein rot glühender Sonnenuntergang versteckt hinter uralten buddhistischen Steinchorten. In der Klosterherberge fand ich Unterschlupf und interessante Gespräche mit den ansässigen Mönchen.

Bereits vor dem Morgengrauen stieg ich mit dem Mönch Dorje Lama zum Sunapati Peak auf. Oben angekommen nahm das beeindruckende Naturspektakel seinen Lauf. Die gesamte Himalaya Range wurde von Spitze zu Spitze erleuchtet, nach Süden hin blickte man bis hinunter zum Sun Koshi Fluss und die gesamte Trailstrecke wurde sichtbar – angeführt vom 3126mt. hohen Sailung Peak.

Der letzte Abstieg war steil und die fast 1700mt. Höhenunterschiede veränderten das Landschaftsbild drastisch. Unten erwartete mich ein kleines Majhi Dorf mit weisem Sandstrand und türkisblauen Sun Koshi Fluss. Die Bewohner leben in einem viel beschäftigten Bazardorf und vom traditionellen Fischfang mit Wurfnetzen – wieder eine neue Welt.

Auf dem Weg nach Nepalthok (Busstation nach Kathmandu) schloss ich mich zwei Herren an. Als wir einen Nebenfluss erreichten, setzten sie sich plötzlich in ihrem Sonntagsanzug nieder, krempelten die Anzugshosen hoch und zogen die Schuhe aus. Als sie meine Verwunderung bemerkten, zeigten sie auf die kaputte Brücke und erklärten, dass dies bereits seit Wochen so wäre und wir durch den Fluss „furten“ müssten. Gesagt getan – mir ging das Wasser bis zu den Oberschenkeln und die Strömung drückte stark. Kopfschüttelnd und verwundert über diese sonderbare Welt bestieg ich den Bus…

Bleibt schlussendlich nur noch die Frage, woher denn nun der Name „Indigenous People Trail“ stammt. Der Ramechhap Bezirk wird von 58% indigener Völker bewohnt. Auf engsten Raum sind 21 Volksgruppen vertreten, wobei die Tamang zur größten indigenen Gruppe Nepals zählen und die Tamis und Majhis fast auf keiner sonstigen Trekkingroute anzutreffen sind. Weiterhin erlebt man die unterschiedlichsten Bau-, Ess- Arbeits- und Kleidungsstile, sowie verschiedenartige Kultur, Religion und Sprache der Newars, Sherpas und Yolmos. Ein Name der sich also alle Ehre macht!

Abschließendes Feedback!?
Eine Mischung aus wärmster Gastfreundschaft, Einfachheit und Authentizität, Hinduismus und Buddhismus, Naturspektakeln und kulturellen Höhenpunkten, touristischer Einsamkeit und nepalesischer Vielfalt, Peak- und Tieflanderfahrung, zurück versetzt in die Vergangenheit und zugleich konfrontiert mit modernen Wünschen. Ein Trek, auf dem man Nepal nicht nur als Ausschnitt erlebt, sondern als eine Zusammenfassung seiner grenzenlosen Vielfalt und der das Auge für dessen naturelle Weite und kulturelle Vielfalt weitet!

Namaskar liebes Nepal!

Anfang Dezember verließ ich mein nepalesisches Zuhause. Die Herbstsaison 2012 war für mich eine sehr intensive Zeit mit zahlreichen interessanten Kontakten, spannenden Gesprächen und lustigen Momenten, aber auch anspruchsvollen Aufgaben, viel Verantwortung und Arbeit.

Während meines Aufenthaltes erfreute mich stets das lebhafte Interesse der Gäste, und gerne beantwortete ich deren zahlreichen Fragen. Ebenso gerne lauschte ich auch deren bewegenden Nepal- Reiseerzählungen. Oft überraschten mich die Gäste nach Rückkehr ins Kathmandu View Hotel nicht nur durch ein völlig anderes Aussehen (braun gebrannte Gesichter, lange Bärte und „abenteuergezeichnete“ Kleidung), sondern auch durch ihr selbstbewusstes Auftreten und die neu geordneten Gesprächsthemen. Die anfängliche Unsicherheit mit dem Reiseland war wie verflogen und die Freude über den neu geschätzten Luxus der Hauptstadt unbeschreiblich. So wurde unser Kathmandu View Hotel für die meisten zu einem kleinen Urlaubsparadies. Man genoss die heiße Dusche, das bequeme Bett, die sonnige Terrasse, die Möglichkeit, Kontakt nach Hause aufzunehmen, das schmackhafte Essen, den Austausch mit den anderen Gästen, etc. Und immer wieder wurde mir auf ein Neues bewusst… eine Nepalreise ist etwas Außergewöhnliches!

Nach drei Monaten Hochsaison stand allerdings fest – das gesamte Himalaya- Team war selbst urlaubsreif. Die meisten Mitarbeiter fuhren zu ihren Familien aufs Land, unsere Hotelmanagerin Pema in den Urlaub nach Deutschland und ich an den Strand von Thailand und auf die DIAMIR Rundreise durch Myanmar.

In Südostasien genoss ich die für mich unbekannten geordneten Verhältnisse, so z.B. die perfekte Infrastruktur von Bangkok, die relative Verkehrsarmut in Myanmar, die zahlreichen Variationen auf dem Speiseplan, die entspannten Tage am Meer und vieles mehr.

Dennoch stand schnell für mich fest: Nepal hat zwar seine Ecken und Kanten, doch genau diese haben mich in ihren Bann gezogen und ein nachhaltiges Interesse geweckt, sie besser verstehen zu wollen.

So wird dieser Herbstaufenthalt in Nepal sicherlich nicht mein letzter gewesen sein, und ich würde mich sehr freuen, den einen oder anderen in diesem außergewöhnlichen Urlaubsland eines Tages begrüßen zu dürfen!

Pheri Bhetaula – Bis bald! Sophie